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Aktuelle Gesetzgebung – Gesetz über den Unabhängigen Kontrollrat (UKRatG)

Die grundlegenden Prozesse und Strukturen der Rechtskontrolle, das Zusammenspiel der Kontrollorgane und die Verwaltungsorganisation des Unabhängigen Kontrollrates haben sich bewährt. Der Behörde ist es gelungen, in kürzester Zeit handlungsfähig zu werden und Prozesse zu entwickeln, deren Effektivität sich in einer zeitnahen Erledigung aller ihm übertragenen Aufgaben wiederspiegelt. Möglich war das bisher Erreichte auf der Grundlage – mittlerweile bewährter - gesetzlicher Regelungen, die die nötige Flexibilität und Schlagkraft für die Reaktion auf vielfältige Herausforderungen geschaffen haben. Für den weiteren Aufbau der Behörde ist es von großer Bedeutung, die grundlegenden Strukturen zur Organisation und Gestaltung der Kontroll- und Verwaltungsprozesse beizubehalten und – jedenfalls vor Ablauf der 5-jährigen Evaluationsfrist des § 61 des BND-Gesetzes – allenfalls dort mit kleineren Präzisierungen einzugreifen, wo sich in der Praxis Schwierigkeiten gezeigt haben.

Derzeit werden Überlegungen zur Reform des BND-Gesetzes und zur Ausgliederung der Vorschriften über den Unabhängigen Kontrollrat in ein eigenes Gesetz für die Behörde angestellt. Diese Herauslösung ist sachgerecht, sollte aber die bewährten Strukturen nicht verändern. Insbesondere sollte die Effizienz der Behörde nicht durch unklare Zuständigkeiten geschwächt werden. Unverzichtbar ist auch die Zusammensetzung der Behörde aus einem gerichtsähnlichen und einem administrativen Kontrollorgan, das nach den Vorgaben des gerichtsähnlichen Kontrollorgans eine kontinuierliche Kontrolle der technischen Aufklärung sicherstellt. Nur so lassen sich die ihrem Charakter nach ganz unterschiedlichen Kontrollaufgaben sachgerecht wahrnehmen. Vor allem ist aber zu gewährleisten, dass der Unabhängige Kontrollrat als unabhängiges Organ der objektiv-rechtlichen Rechtskontrolle nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts eine gerichtsähnliche Behörde sein muss, die die gleiche Unabhängigkeit genießt wie ein Gericht.

Für die erforderliche Sicherung und Wahrung der Unabhängigkeit als Organ der objektiv-rechtlichen Rechtskontrolle sind insbesondere folgende Punkte entscheidend:

1. Institutionelle Unabhängigkeit

Der Unabhängige Kontrollrat ist nicht nur in der Ausübung seiner Kontrolle, sondern auch als Institution unabhängig von Einflussnahmen und Weisungen Dritter. Die ihm anvertraute objektive Rechtskontrolle richtet sich allein nach den Vorgaben der Gesetze (unter Einschluss der Verfassung) und unterscheidet sich damit von der dem Parlament obliegenden politischen Kontrolle der Nachrichtendienste (siehe dazu BVerfGE 154, 152 Rn. 298, 300). Der Unabhängige Kontrollrat ist eine politisch unabhängige Institution und nicht in das Parlament eingebunden (vgl. BVerfGE 154, 152, Rn. 281, 286, 294). Eine – auch aus hiesiger Sicht zu begrüßende – Stärkung der parlamentarischen Kontrolle darf hiernach nicht zu Lasten der objektiven Rechtskontrolle gehen; insbesondere wäre es  mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht zu vereinbaren, den Unabhängigen Kontrollrat zu einer Art Hilfsorgan des Parlamentarischen Kontrollgremiums umzugestalten oder ihn dessen Aufsicht zu unterstellen.

2. Selbstorganisation bei der Verteilung der Geschäfte und der Organisation der Arbeit im gerichtsähnlichen Kontrollorgan

Aus der Gerichtsähnlichkeit des gerichtsähnlichen Kontrollorgans folgt, dass dieses – ähnlich wie die Gerichte – selbst darüber entscheidet, wie die Geschäfte der gerichtsähnlichen Rechtskontrolle verteilt und wie die Entscheidungen vorbereitet werden. Damit wäre es nicht zu vereinbaren, wenn etwa die Zuweisung bestimmter Sachen an einzelne Mitglieder des gerichtsähnlichen Kontrollorgans oder eine entsprechende Verteilung durch die Geschäftsordnung gesetzlich zwingend vorgeschrieben würde. Wie die Geschäfte zweckmäßigerweise verteilt werden, lässt sich nämlich nur nach den konkreten Umständen, etwa dem aktuellen Bedarf und dem jeweils erreichten Erfahrungsstand, beurteilen und muss – wie bei den Gerichten – auch flexibel änderbar sein, wenn sich die Lage ändert. Nur so lässt sich auch unnötiger Mehraufwand zur Sicherung einer einheitlichen Entscheidungspraxis vermeiden. Durchgreifenden Bedenken begegnete es, wenn einzelnen Mitgliedern des gerichtsähnlichen Kontrollorgans aufgrund gesetzlicher Vorgaben zwingend Tätigkeitsschwerpunkte zugewiesen werden müssten. Dies würde bei Ausfall einzelner Kontrollbeauftragte zu längeren Verzögerungen führen. Auch in der Verwaltung sollte die bewährten Strukturen erhalten bleiben und unklare Zuständigkeiten vermieden werden.

3. Grundlegende Prinzipien der Kollegialspruchkörper

Die einem Kollegialorgan zugewiesenen Befugnisse stehen regelmäßig dem Kollegium insgesamt zu, nicht seinen einzelnen Mitgliedern. Eine Hervorhebung der Rolle der einzelnen Kontrollbeauftragten, etwa durch Zuweisung bestimmter Sachgebiete oder die vom Kollegium losgelöste Entscheidungsvorbereitung,  nähme dem Spruchkörper die Gestaltungsmöglichkeit aus der Hand und erschwerte auch den an den gerichtsähnlichen Kontrollverfahren Beteiligten (dem Bundesnachrichtendienst und dem Bundeskanzleramt) die Erledigung ihrer Mitwirkungspflichten. Sie müssten sich nämlich mit nicht koordinierten Wünschen der Mitglieder des gerichtsähnlichen Kontrollorgans auseinandersetzen.

Zu einem erheblichen Mehraufwand und vielfältigen Problemen würde es führen, wenn man den einzelnen Mitgliedern des gerichtsähnlichen Kontrollorgans das Recht einräumen würde, dem administrativen Kontrollorgan Prüfaufträge und Weisungen zu erteilen. Diese Lenkungsbefugnis steht nach bisherigem Recht nur den Spruchkörpern des gerichtsähnlichen Kontrollorgans zu (§ 51 Absatz 2 des BND-Gesetzes, § 6 Absatz 2 und 3 der Geschäftsordnung, § 21 Absatz 3 der Verfahrensordnung).  Damit ist sichergestellt, dass kein unnötiger Aufwand betrieben und die administrative Kontrolle nicht auf der Grundlage unterschiedlicher Meinungen, die noch nicht durch eine Abstimmung im Spruchkörper konsolidiert sind, in verschiedene oder gar gegenläufige Richtungen gelenkt wird. Die sachgerechte Wahrnehmung des gesetzlichen Auftrages würde erschwert, wenn gegenüber dem administrativen Kontrollorgan nicht „mit einer Stimme“ Aufträge erteilt werden. Nur so ist sichergestellt, dass alle Betroffenen wissen und einschätzen können, welche Vorgaben gelten. Das Recht einzelner Mitglieder des gerichtsähnlichen Kontrollbeauftragten zur Erteilung von Prüfaufträgen und Weisungen hätte zudem Auswirkungen auf die Organisation der administrativen Rechtskontrolle und könnte zu einer unklaren Weisungslage und Auseinandersetzungen über die Priorisierung der einzelnen Anliegen führen. Zudem müsste der Bereich der administrativen Rechtskontrolle voraussichtlich eine deutliche Personalverstärkung erfahren, weil unkoordinierte Einzelprüfaufträge und Einzelweisungen Arbeitskräfte binden würden.

4. Beratungsgeheimnis

Wesentlich für eine gerichtsähnliche unabhängige Rechtskontrolle ist die Wahrung des Beratungsgeheimnisses. Dessen Wahrung ist für die Gerichte in § 43 des Deutschen Richtergesetzes verankert und es gilt nach § 47 Absatz 1 des BND-Gesetzes, § 3 der Geschäftsordnung auch für den Unabhängigen Kontrollrat. Das Beratungsgeheimnis hat zwei Funktionen. Es soll den an der Entscheidung beteiligten Mitgliedern des gerichtsähnlichen Kontrollorgans die Möglichkeit bieten, sich in der Beratung frei und offen zu äußern. Zum anderen soll es den Gerichten die Möglichkeit geben, den Rechtsanwendern klar und eindeutig zu sagen, wie sich die Rechtslage darstellt. Das gilt in besonderem Maße für die obersten Gerichtshöfe, die dafür Sorge zu tragen haben, dass das Recht möglichst einheitlich angewendet wird. Diese Wirkung würde verfehlt, wenn die Mitglieder der Spruchkörper Sondervoten mit abweichenden Meinungen veröffentlichen könnten, da dann nämlich die Entscheidungen gleichzeitig Zweifel an ihrer Richtigkeit und Eindeutigkeit säen würden. Für die Entscheidungen des Unabhängigen Kontrollrat gilt nichts anderes. Auch seine Entscheidungen müssen dem Bundesnachrichtendienst aufzeigen, ob seine Anordnungen und Feststellungen rechtmäßig sind. Der Bundesnachrichtendienst und vor allem seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich darauf verlassen können, dass sie rechtmäßig handeln, wenn sie auf der Grundlage einer bestätigten Anordnung oder Feststellung handeln. Diese Gewissheit in der Beantwortung von Rechtsfragen ginge verloren, wenn Sondervoten in den nach § 55 des BND-Gesetzes abzugebenden Berichten dargestellt oder dem Parlamentarischen Kontrollgremium gegenüber offengelegt werden müssten.

Der Unabhängige Kontrollrat ist nicht Teil der Bundesregierung und deshalb nicht an deren aktuellen Überlegungen und Abstimmungen beteiligt. Er hat bislang (Stand 4. August 2023) auch keinen vollständigen Text der geplanten Regelungen erhalten. Zur Verdeutlichung ihrer aus praktischer Erfahrung gewonnenen Sicht haben Mitglieder des Unabhängigen Kontrollrates einen Diskussionsentwurf für ein Gesetz über den Unabhängigen Kontrollrat (UKRat-Gesetz) erarbeitet, der die bewährten Regelungen auf eine breitere Basis stellt und Regelungsvorschläge für die erforderlichen technischen Verbesserungen im Verfahren enthält. Diese Vorschläge sollten in der gegenwärtigen Diskussion über ein UKRat-Gesetz Berücksichtigung finden.

Zum Download: Diskussionsentwurf eines Gesetzes über den Unabhängigen Kontrollrat und zur Änderung des BND-Gesetzes (Stand: 1. August 2023)

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